von Eric Toussaint
Übersetzung eines Abschnitts des Textes „Pfade für eine Überprüfung der griechischen Staatsschulden“(20)
Zunächst gab es die Schulden, die die Militärdiktatur gemacht hatte und die sich von 1967 bis 1974 vervierfacht hatten. Ganz offensichtlich können diese Schulden als verabscheuungswürdig (odious debts) bezeichnet werden.
Es folgte der Skandal der Olympischen Spiele von 2004. Als die Regierung im Jahr 1997 den griechischen Bürgerinnen und Bürgern voller Stolz verkündete, Griechenland habe die Ehre, sieben Jahre später die Olympischen Spiele auszurichten, veranschlagten die Athener Behörden und das Internationale Olympische Komitee – Dave Zirin zufolge – die Ausgaben auf 1,3 Milliarden Dollar. Einige Jahre später hatten sich die Kosten auf das Vierfache erhöht und betrugen 5,3 Milliarden Dollar. (21) Direkt nach den Olympischen Spielen wurden offiziell Kosten von 14,2 Milliarden Dollar angegeben. Heute sollen die tatsächlichen Kosten nach verschiedenen Quellen 20 Milliarden Dollar übersteigen.
Seit mehreren Jahren sind zahlreiche Verträge, die zwischen den griechischen Behörden und großen ausländischen Privatunternehmen abgeschlossen wurden, zum Skandal geworden. Diese Verträge brachten einen Anstieg der Staatsverschuldung mit sich. Wir wollen einige Beispiele für die Verträge anführen, die Schlagzeilen gemacht haben.
• Der Skandal mit den deutschen U-Booten (produziert von der HDW, die von Thyssen übernommen wurde) im Gesamtwert von fünf Milliarden Euro. Diese U-Boote hatten den Fehler, dass sie sich enorm – nach links (!) – neigten und eine fehlerhafte elektronische Ausrüstung hatten. Eine gerichtliche Untersuchung der eventuellen Verantwortlichkeiten (Korruption) ehemaliger Verteidigungsminister wird durchgeführt.
• Mehrere Verträge wurden mit dem deutschen transnationalen Unternehmen Siemens abgeschlossen, das sowohl von der deutschen wie von der griechischen Justiz beschuldigt wurde, dem damaligen politischen, militärischen und administrativen Personal Griechenlands Provisionen und andere Bestechungsgelder in Höhe von knapp einer Milliarde Euro gezahlt zu haben. Der Vorstandsvorsitzende der Firma Siemens Hellas (22), der zugegeben hat, die beiden großen griechischen Parteien „finanziert“ zu haben, ist 2010 nach Deutschland geflohen und die deutsche Justiz hat das Auslieferungsersuchen Griechenlands abgelehnt. Zu diesen Skandalen gehörten der Verkauf des Flugabwehrraketensystems Patriot (1999, zehn Millionen Euro Schmiergelder) durch Siemens und seine internationalen Partner, die Digitalisierung des Telefonnetzes des griechischen Telekommunikatonsunternehmens OTE (100 Millionen Euro Schmiergelder), das Sicherheitssystem „C4I“, das anlässlich der Olympischen Spiele 2004 gekauft wurde und nie funktioniert hat, der Verkauf von Material an die griechische Eisenbahn (OSE), der Verkauf des Kommunikationssystems Hermès an die griechische Armee und der Verkauf sehr teurer Krankenhausausstattungen an griechische Krankenhäuser.
Anfang März 2015 wurde in Athen ein Verfahren zu einem der zahlreichen Korruptionsfälle eröffnet, in die Siemens verwickelt ist, es betrifft den Fall OTE. (23) Unter den 64 Tatverdächtigen sind 13 deutsche Staatsangehörige, Führungskräfte der Muttergesellschaft. Laut der griechischen Justiz soll Siemens ungefähr 70 Millionen Euro gezahlt haben, um den Vertrag abschließen und das damalige staatliche griechische Telefonnetz OTE digitalisieren zu können (der Vertrag stammt von 1997). Zu den Tatverdächtigen gehört der ehemalige starke Mann von Siemens Hellas, Michalis Christoforakos, der nach Deutschland geflohen ist und dessen Auslieferung nach Griechenland die deutschen Behörden immer noch ablehnen. Die Klagen umfassen „Geldwäsche“ sowie „aktive und passive Korruption“. Theodoros Tsoukatos, Berater des früheren Ministerpräsidenten Kostas Simitis (PASOK) (24), befindet sich ebenfalls auf der Liste der Tatverdächtigen. „Tsoukatos scheint eine Million Deutsche Mark verteilt zu haben und hat erklärt, dass sich die Gelder in der Bilanz von PASOK wiederfinden.“ Die anderen Tatverdächtigen sind höhere Führungskräfte der griechischen Siemensfiliale sowie deutsche Staatsangehörige, die die Schmiergelder und Zahlungen gebilligt haben sollen. Der einzige griechische Politiker, der bis jetzt im Zusammenhang mit diesem Skandal verurteilt wurde, ist der ehemalige Verkehrsminister Tasos Mantelis. Er wurde 2011 zu drei Jahren Haft auf Bewährung verdonnert, nachdem er für schuldig befunden worden war, zwischen 1998 und 2000 von Siemens Zahlungen in Höhe von 450 000 Deutsche Mark (230 000 Euro) erhalten zu haben.
Es ist zu beachten, dass die Schweizer Justiz Anfang 2015 im Rahmen eines umfassenden Korruptions- und Geldwäscheskandals im Zusammenhang mit Rüstungsverträgen in Griechenland 35 Millionen Schweizer Franken auf Bankkonten beschlagnahmt hat. (25) In Griechenland sind in einer damit verbundenen Rechtssache, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waffen steht, bereits an die 15 Personen zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Dazu gehört der ehemalige griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos, der im Oktober 2013 wegen Geldwäsche im Umfang von mehr als sechs Millionen Euro aus Schmiergeldern zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. (26)
Für die Zeit vor der Krise von 2010 wird die Schuldenüberprüfung auch die Mitwirkung von Goldman Sachs bei der Schönfärberei des griechischen Haushalts und deren Auswirkung auf die Staatsschulden aufzeigen müssen. (27) Ebenso wird man darlegen müssen, welche Auswirkungen die Geschenke der griechischen Behörden an die griechischen Banken hatten und wie eines der größten griechischen Finanzimperien, das des Magnaten Latsis, auf illegitime und sogar illegale Weise davon profitiert hat. Auch die Auswirkung der illegalen Kapitalabwanderung und die Konsequenzen der Steuergeschenke an die Reichen und an die großen Unternehmen werden berücksichtigt werden. (28) Außerdem wird analysiert werden, wie sich der Eintritt in die Eurozone auf die griechischen Staatsschulden ausgewirkt hat.
(20) > http://cadtm.org/Pistes-pour-l-audit-de-la-dette-de. Die Angaben in diesem Teil stammen teilweise aus meiner Studie von 2011: > http://cadtm.org/Grece-Tout-un-symbole-de-dette. Sie wurde in Athen auf Englisch veröffentlicht in: Elena Papadopoulou und Gabriel Sakellaridis (Hrsg.), THE POLITICAL ECONOMY OF PUBLIC DEBT AND AUSTERITY IN THE EU, Transform, Athen 2012.
(21) Dave Zirin, The Great Olympics Scam, Cities Should Just Say No, > www.counterpunch.org/zirin07052005.html: ‘But for those with shorter memories, one need only look to the 2004 Summer Games in Athens, which gutted the Greek economy. In 1997 when Athens “won” the games, city leaders and the International Olympic Committee estimated a cost of $1.3 billion. When the actual detailed planning was done, the price jumped to $5.3 billion. By the time the Games were over, Greece had spent some $14.2 billion, pushing the country’s budget deficit to record levels.’
(22) Über den Skandal um Siemens Hellas wurde dieser ausführliche Bericht veröffentlicht: > http://www.scribd.com/doc/14433472/Siemens-Scandal-Siemens-Hellas. Die Vergehen, derer Siemens von der deutschen Justiz beschuldigt wurde, waren so offensichtlich, dass dieses Unternehmen einverstanden war, im Oktober 2007 eine Geldstrafe von 201 Millionen Euro an die deutschen Behörden zu zahlen, um einer rechtmäßigen Verurteilung zu entgehen. Der Skandal hat dem Image von Siemens so sehr geschadet, dass dieser Global Player als Gegenmaßnahme auf seinem Internetportal an hervorgehobener Stelle verkündet, 100 Millionen Euro für einen Fonds zur Korruptionsbekämpfung gestiftet zu haben. Siehe > http://www.siemens.com/sustainability/en> /compliance/collective_action/integrity_initiative.php.
(23) Siehe > http://www.greece.com/news/7358/Court_says_64_to_be_tried_in_Siemens_bribery_scandal.html und > http://www.okeanews.fr/20150309-scandale-siemens-ote-proces-pour-64-suspects-dont-13-allemands.
(24) Kostas Simitis war PASOK-Vorsitzender und von 1996 bis 2004 Premierminister.
(25) Siehe Elisabeth Studer, > http://www.leblogfinance.com/2015/03/grecescandale-de-corruption-sur-contrats-darmement-> avec-france-et-allemagne-la-suisse-saisit-des-comptes-bancaires.html.
(26) Siehe > http://greece.greekreporter.com/2014/10/10/re-trial-of-former-defense-minister-tsochatzopoulos-begins-today/.
(27) Siehe den Arte-Dokumentarfilm „Goldman Sachs – La banque qui dirige le monde“ ab der 39. Minute, > https://vimeo.com/49904381.
(28) Siehe Michel Husson, 11. März 2015, > http://hussonet.free.fr/grdette2.pdf. Übersetzung ebenfalls in SiG 115.
Übersetzung: Barbara KRATKY, coorditrad /SiG-Redaktion